Nie wieder Luftgitarre

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Deutschland erlebt mit der deutlichen Aufstockung seiner Militärausgaben eine Zeitenwende. Ursprünglich wollte Berlin sein 2%-Ziel am Sankt Nimmerleinstag erfüllen. Jetzt aber ist dieser Sankt Nimmerleinstag abgeschafft und in den deutschen Kalender integriert worden.

Für viele ist die Ankündigung dieser Zeitenwende ein guter Tag, bei anderen löst sie Ängste vor einer Militarisierung Deutschlands aus. Ich nehme diese Sorge ernst. Ganz entschieden aber unterstütze ich das Vorhaben, die Bundeswehr wieder wehrhaft zu machen. Der Leitgedanke für unsere Streitkräfte, die eine Parlamentsarmee sind, muss der Folgende sein: Keine europäische Armee darf so stark sein, einen Angriffskrieg gegen andere zu führen, aber gemeinsam müssen die Verbündeten so stark sein, dass sie sich gegen Aggressoren verteidigen können.

Viele Jahre lang wurde von deutschen Soldaten im Grunde verlangt sicherheitspolitisch Luftgitarre zu spielen. Doch es reicht nicht mehr, so zu tun, als ob man ein Instrument in der Hand halte: Gerade geben Diktatoren wie Putin mit Nukleardrohungen den Ton an, und dem gilt es, eine andere Komposition entgegenzusetzen.

Das Pew Research Center veröffentlichte 2015 eine Studie, nach der 58 % der Deutschen nicht bereit waren, einen NATO-Bündnispartner zu verteidigen, wenn Russland ihn angreifen sollte. Daher sind die neuen Milliarden ein wichtiges Signal an die Bündnispartner unter der Überschrift: Wir, das heißt Regierung und die Mehrheit der Bevölkerung, haben verstanden, was es bedeutet, Teil eines Bündnisses zu sein.

Die deutsche Bevölkerung, gerade auch die Friedensbewegten, werden hoffentlich erkennen, dass es nicht um Militarisierung, sondern um Befähigung geht, nicht um Aufrüstung, sondern um Ausrüstung. Das wird nicht leicht und muss transparent und ausführlich erklärt werden. Wir sind wie eine Ortschaft, die seine Feuerwehr entließ, als es einen Sommer lang regnete. Doch dass die USA Europa nach dem Jugoslawienkrieg und dem Krieg in der Ukraine noch ein drittes Mal aus der Klemme helfen, womöglich unter einer Präsidentschaft Trump II, ist unwahrscheinlich. Deswegen: Ja, die 100 Milliarden und die Übererfüllung des 2%-Ziels sind notwendig, damit die Bundeswehr wieder zu einem bündnisfähigen Sicherheitsanker in Deutschland und Europa werden kann, gerade in Friedenszeiten.

Dabei hege ich eine Hoffnung: Wenn wir es wieder hinbekommen, dass sich in Deutschland mehr Menschen an geostrategischen Diskussionen beteiligen, dann steigt vielleicht auch der gesellschaftliche Druck auf die Regierenden, die Bundeswehr nicht für zweifelhafte Missionen wie Afghanistan einzusetzen, sondern sie dazu zu befähigen, in erster Linie in Europa unsere freiheitliche Rechtsstaatlichkeit zu garantieren.

Von Nicolas_Fesch

Ich habe in Tübingen, Aix-en-Provence und Paris Politikwissenschaft und Geschichte studiert. Meine Promotion befasste sich mit der Intervention in Afghanistan. Dieser Blog möchte zur Debatte um die Zukunft der europäischen Sicherheitsarchitektur beitragen.

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